Konstruktionstipp in Blech

Konstruieren Sie den Biegeinnenradius immer entsprechend der Blechdicke

Nicht alles was man konstruieren und zeichnen kann, lässt sich auch so herstellen. Jedenfalls nicht zu vernünftigen Kosten. Das Blexonportal hilft bei der fertigungsgerechten Konstruktion indem es Modelle kostenlos validiert und Hinweise auf Produktionsschwierigkeiten gibt. Ein häufig vorkommender Hinweis auf dem Blexon-Blechportal ist der folgende:

Fehler

Der effektive Biegeradius am fertigen Teil weicht stark vom konstruierten Biegeradius ab.

In diesem Beitrag erfahren Sie alles zu dieser Meldung. Warum entsteht sie? Was sind die technischen Hintergründe und vor allem – wie können Sie die Fehlermeldung vermeiden.

Wie werden Blechteile gebogen?

Um zu verstehen, warum der konstruierte Innenradius einer Biegung der Blechdicke entsprechen sollte, muss man wissen, wie Blechteile bei Blexon gebogen werden.

Alle Blechteile die Sie bei Blexon bestellen, werden nach der sogenannten “Freibiege”-Methode abgekantet. Das Blech liegt dabei auf einer V-förmigen Matrize auf und wird von oben mit einem Stempel in die Matrize gedrückt.

Biegeanimation 2D

Quelle: https://www.wikipedia.org/

In der Animation ist gut zu erkennen, dass das Blech nicht vollständig in die Matrize gepresst wird. Das wäre nur beim Prägebiegen der Fall. Beim freien Biegen wird das Blechteil “in der Luft” gebogen. Dabei entsteht ein Biegeradius der von mehreren Faktoren abhängig ist:

  • Blechdicke
  • Material
  • Gesenkweite (Obere Öffnung der V-förmigen Matrize)
  • Radius des Stempels
  • Biegewinkel

Die Blechdicke hat den grössten Einfluss auf den entstehenden Biegeradius. Je dicker das Blech, umso grösser ist der Radius. Die Blechdicke beeinflusst auch die Gesenkweite. Für ein dickes Blech muss eine Matrize mit einer grösseren Gesenkweite verwendet werden, als für ein dünnes Blech. Würde man ein sehr dickes Blech über einer Matrize mit zu kleiner Gesenkweite abkanten, entstehen enorme Kräfte. Die Biegemaschine könnte dabei überlastet werden oder die Matrize wird beschädigt. Der Druck kann so hoch werden, dass die Matrize gespalten wird.

Auch das Material hat einen Einfluss auf den Biegeradius. Je zäher das Material umso grösser muss die Gesenkweite der Matrize und/oder der Stempelradius gewählt werden. Die Gründe hierfür sind die gleichen wie bei der Blechdicke. Zudem können sich Risse an der Biegung bilden, wenn mit zu kleinem Stempelradius oder zu schmaler Matrize für das entsprechende Material abgekantet wird. Im Weiteren entstehen auch stärkere (unerwünschte) Werkzeugabdrücke am fertigen Teil.

Zusammenfassend kann man also sagen: Die Blechdicke und das Material geben die Gesenkweite der Matrize und den Radius des Stempels vor. Alle Parameter zusammen ergeben den Biegeradius beim freien Biegen.

Warum entsteht die Meldung?

Das lässt sich am Besten an folgendem Beispiel erklären.

Der Innenradius einer Biegung entspricht nicht der Blechdicke. Das führt zu Rissbildung und Maßtoleranzen.

Hier hat der Konstrukteur / die Konstrukteurin eine Biegung mit einem Radius von 0.5 mm konstruiert. Als Material wird 3 mm Stahl definiert. Wie im Abschnitt oben gezeigt, wird bei der Herstellung dieses Blechteils eine Biegung mit einem Innenradius von ungefähr 3 mm entstehen.

Das Blexonsystem erkennt diese Abweichung und zeigt eine Fehlermeldung.

Entspricht der Biegeradius genau der Blechdicke?

Das Blexonsystem toleriert eine gewisse Abweichung zwischen konstruiertem Biegeradius und dem zu erwartenden Radius. So wird im Beispiel oben ein konstruierter Radius zwischen 2 mm und 4 mm akzeptiert.

Nur weil der konstruierte Radius vom Blexonsystem akzeptiert wird, heisst das aber nicht, dass das fertige Blechteil eine Biegung mit exakt dem konstruierten Radius aufweisen wird. Wie oben erklärt “entsteht” der Biegeradius und ist bei der freien Biegung nicht zu 100% exakt definiert. Daher sind Abweichungen des Fertigungsradius vom konstruierten Radius normal und kein Grund zur Beanstandung.

Sie können davon ausgehen, dass der Biegeradius am fertigen Teil ca. der Blechdicke entsprechen wird. Das gilt für Biegungen mit einem Winkel von 90°. Biegungen unter 90° (Überbiegen) haben einen kleineren, solche über 90° einen grösseren Radius.

Und die anderen Radien?

Natürlich ist es technisch möglich, Blechteile mit Biegeradien die von der Blechdicke abweichen herzustellen. Wir raten aber, falls irgendwie möglich, davon ab.

Wie oben erwähnt, kann es bei kleineren Biegeradien als der Blechdicke zu Rissbildung und starken Abdrücken durch die Biegewerkzeuge am Teil kommen. Das Material wird beim Aussenradius so stark belastet, dass feine Risse entstehen, im schlimmsten Fall reisst das Material an der Biegung vollständig.

Um grössere Biegeradien in Blechteilen zu produzieren, z.B. Designradien bei Abdeckungen etc., kommen eine Reihe von Spezialwerkzeugen zum Einsatz. Diese Werkzeuge sind nicht für jede Grösse vorhanden und müssten in der Regel zuerst beschafft werden. Vor allem für Prototypen und Kleinserien können grosse Biegeradien deshalb zu einem Kostentreiber werden. Bei Bedarf an grösseren Biegeradien nehmen Sie bitte Kontakt mit dem Blexon Helpdesk auf.